Am Donnerstag fanden in Marzahn vier Kundgebungen bzw. Demonstrationen
von Neonazis statt, in deren Umgebung es am Abend zu einem schweren
Übergriff auf einen Geflüchteten kam. Eine Gruppe von ca. sechs Nazis
griff gegen 18:30 Uhr einen Geflüchteten, nahe der S-Bahnstation
Raoul-Wallenberg-Straße, mit Eisenstangen an. Die Täter waren schwarz
gekleidet und vermummt. Als aufmerksame Passant*innen versuchten
einzugreifen, wendeten sich die Nazis gegen diese und jagten ihnen
hinterher, während der Angegriffene humpelnd fliehen konnte.
Am Vormittag versammelten sich René Uttke, Patrick Krüger und Kameraden
am Jobcenter Marzahn in der Rhinstraße ( 5 Teilnehmer). Danach ging es
angeblich zur Landsberger Allee/ Ecke Blumberger Damm, wo sich Uttke
nach Ablauf seines Aufenthaltsverbots wieder bewegen darf. Dritte
Station war am Abend das Eastgate, wo Uttke mit etwa 25 Kameraden laute
Nazimusik spielte und zwischendurch kurze Redebeiträge grölte.
Auf der anderen Straßenseite, am S-Bahnhof Marzahn, versammelten sich
Enrico Stubbe und „Wir Für Berlin & Wir Für Deutschland“ unter dem Titel
„2. Abendspaziergang für eine angemessene Politik“, um später zum
S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße zu ziehen. Stubbe versuchte damit, an
die letzte „Wir Für Berlin“/ Bärgida-Demonstration am 2. November an der
S-Bahnstation Springpfuhl anzuknüpfen. Dies gelang angesichts der nur knapp 50 Teilnehmenden gegenüber den 160 Teilnehmenden am 2. November aber nicht.
Als sich „Wir Für Berlin“ in Bewegung setzte, beschimpften sich die
beiden Gruppen gegenseitig lautstark als „Volksverräter“. Uttke hatte seine Feindschaft gegenüber Stubbe schon im Vorfeld über Twitter deutlich zum Ausdruck gebracht: „Die Klapse möchte dringendst ihre Patienten von „Wir für Berlin“…einsammeln . Übermäßiger jenuss von Alk macht Birnehohl.“ Am Eastgate erkannte Uttke dann Stubbes Demo als „Verrat am Volke“ und unterstellte deren TeilnehmerInnen „zionistische“ Ambitionen.
„Wir Für Berlin“ zog nun auf dem Gehweg der Märkischen Allee in Richtung
S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße, durch die Franz-Stenzer-Straße,
Raoul-Wallenberg-Straße, Landsberger Allee, Pöhlberg-Straße, Blumberger
Damm auf die Landsberger Allee, wo die Demonstration in Sichtweite zur
Containerunterkunft beendet wurde. Danach verzogen sich Nazigruppen in
den Kiez, ohne weiter von der Polizei behelligt zu werden. „Wir Für
Berlin“ kündigt auf Facebook an, den „Abendspaziergang“ nun wöchentlich
veranstalten zu wollen. Damit wird versucht, an die zeitweise
erfolgreichen Nazi-“Montagsdemos“ von Uttke anzuknüpfen. Ob dies gelingt
bleibt abzuwarten. Jedoch lässt sich feststellen, dass es nun zwei
konkurrierende Nazigruppen in Marzahn-Hellersdorf gibt, die parallel
zueinander Mobilisierungspotenzial haben.
Die Strategie der Polizei waren an diesem Abend wieder einmal eindeutig:
während die wenigen Gegendemonstrant*innen und Antifaschist*innen immer wieder an unterschiedlichen Ecken kontrolliert wurden, konnten sich die Neonazis frei bewegen. Eine antifaschistische Gegenveranstaltung gab es
an diesem Abend nicht, abgesehen von einigen spontanen Sprechchören am
Eastgate. Antifas und zivilgesellschaftliche Kräfte aus dem Bezirk
hatten am Donnerstag auf Gegenprotest verzichtet und den Nazis das Feld
überlassen. Umso schöner, dass sich Antifaschist*innen entlang von
Stubbes Demonstration immer wieder Gehör verschafften.
Während die Planungen zur Silvio-Meier-Demo laufen, konnte an diesem
Donnerstag nicht einmal eine kleine Gegenkundgebung organisiert werden.
Es gehört in Marzahn schon viel zu lange zum Standardprogramm, dass sich
Nazis sich selbstbewusst und frei im Umfeld von ihren Veranstaltungen
bewegen können und Menschen angreifen. Während ein Blick in die Chronik
des Berliner Registers für rassistische und rechte Vorfälle genügt, um
die Eskalation rassistischer Gewalt in den letzten Monaten nachzuvollziehen, scheint der antifaschistische Gegenprotest eingeschlafen zu sein.
Unbeeindruckt planen die Neonazis der NPD mit Unterstützung von Uttke
und Krüger eine Demonstration in Hellersdorf für den 30. November. Die
Demo soll am Montagabend um 18:30 Uhr beginnen. Aufgerufen wird zu zwei Startpunkten. Zum einer zur Kreuzung Zossener Straße / Alte Hellersdorfer, zum anderen am U-Bahnhof Cottbusser Platz.
In d befindet sich die Unterkunft für Geflüchtete in der
Maxie-Wander-Straße, die 2013 Aufhänger für den neonazistischen Protest
der ehemaligen Bürgerbewegung Hellersdorf war.